Karl Otfried Müller, Professor der Klassischen Philologie in Göttingen seit 1819, war ein universaler Gelehrter, dessen Arbeit im Zeichen des von Welcker und Boeckh fundierten „Totalitätsideals“ der Altertumswissenschaft stand und im Spannungsfeld von Rationalismus und Romantik angesiedelt war. Zu den von ihm inaugurierten Innovationen, die bis heute wirksam und weiterhin umstritten sind, zählen etwa die Lokalgeschichte griechischer Landschaften, Städte und Stämme, die Begründung der antiken Kunstgeschichte als Kulturgeschichte und die Auffassung der griechischen Tragödie als eines auch religionsgeschichtlich bedeutsamen Phänomens. Metho¬disch und sachlich stimulierend für die Folgezeit waren nicht zuletzt seine „Prolegomena“ von 1825, in denen erstmals wissenschaftliche Prinzipien zur Erforschung von Mythologie aufgestellt wurden.